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ALTVATERTURM LEHESTEN-WETZSTEIN


Der Altvaterturm auf dem Wetzstein als ein Zeichen der Versöhnung    Verfasser Willi Rimpl

Der am 28. August 2004 nach fast vierjähriger Bauzeit eingeweihte Altvaterturm gründet seine Existenz auf der Geschichte zweier Bauwerke, die territorial weit von einander entfernt, beide aber engt mit europäischen und deutschen Geschichte verbunden sind. Mit dem neuen Bauwerk hat der 792 Meter hohe Wetzstein im südöstlichen Teil Thüringens, nahe des Rennsteiges, nahe der Landesgrenze zum Freistaat Bayern, wieder ein markantes Wahrzeichen erhalten. Mächtig erhebt sich der weithin sichtbare, vom Kellergeschos bis zur Turmspitze 36, 6 Metern Höhe neue-alte Altvaterturm.  Der Vorgänger, in etwa gleicher Form und Größe, war beginnend im Jahr 1904 als Habsburgswarte in Sudeten-Schlesien (Ostsudeten) vom Mährisch -Schlesischen Sudetengebirgsverein errichtet worden. Ab 1912 war der Turm für die öfentliche Nutzung frei. Mit dem Niedergang der Habsburger Monarchie zum Ende des Ersten Weltkrieges und der Gründung des tschechischen Nationalstaates wurde der Namedes Turmes geändert. Er trug von diesem Zeitpunkt an den Namen des Berges, auf dem er in 1492 Meter Höhe errichtet worden war. Der Turm wurde in der Folge zu einem immer beliebteren Ausflugsziel für Jung und Alt. Mit der Vertreibung der sudetendeutschen Bevölkerung nach dem Zweiten Weltkrieg blieb der Turm seinem Schicksal überlassen, bis er schließlich einstürzte. Die verbliebenen Reste wurden danach gesprengt.

Etwa 480 Kilometer westlich des Altvatergebirges wurde 1902 nach mehrjähriger Vorbereitung in nur drei Monaten Bauzeit ein Bismarckturm durch dem Zweigverein des Thüringerwald -Vereines auf dem Wetzstein bei Lehesten auf 792 Metern über dem Meeresspiegel errichtet. Der Turm bestand in seinen Grundmauern aus einem regelmäßigen Achteck, das in eine Röhre von etwa drei Metern Durchmesser überging. Nach einer steiernen folgte eine Wenndeltreppe aus Stahl mit einer abschließenden Aussichtsplattform. Bei einer Höhe von 21. 5 Metern konnte die Besucher einen herrlichen Rundumblick genießen. Die Sommerfrischler insbesondere aus den Regionen um Berlin und Leipzig, sorgten über Jahrzente dafür, das recht kärgliche Leben der Menschen in dieser Region zu verbessern. Die jährlich stattfindenden Wetzsteinfeste wurden zur Tradition. Während des Zweiten Weltkriegs und der nachfolgenden Grenzbefestigungen der DDR erfolgten keine Erhltungsmaßnahmen am Turm. Es zeigten sich bald durgehende Risse, die den Fugen zwischen den gelben Greppiner Radialsteinen folgten. Bereits während der Planung der militärischen Anlagen auf dem Wetzstein, die nach ihrer Errichtung der Luftüberwachung dienten, wurde der Bismarckturm 1979 gesprengt. Drei Jahre vorher, 1976, fanden sich Heimatvertriebene, damals noch junge Männer, aus dem Altvatergebirge zur Gründung des Altvaterturmvereins in Langgöns in Hessen zusammen. Sie setzen sich zum Ziel, den in ihrer Heimat abgebrochenen Altvaterturm in Deutschland neu zu errichten. Mit der suche nach bautechnischen Untelagen des abgebrochenen Altvaterturmes und nach einem geeigneten Bauplatz sowie der Erarbeitung von Entwürfen eines maßstäblich verkleinerten Bauwerks verstrichen die Jahre. Gleichzeitig wurde eine Spendeaktion gestartet, die gegenbenfalls unter Nutzung von Földergeldern-die Finanzierung sichern sollte. Für mehrere Standortedes neu zu errichtenden Turmes wurden Bauvoranfragen formuliert. Unter anderem ging es um Standorte in hessen, Rheinland-Pfaltz und und Nordhein-westfalen. Nach der Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten eröffneten sich neue Horizonte. Anlässlich der Begründung einer Partnerschaft zwischen Neustadt am Rennsteig in Thüringen und Ehringshausen in Hessen erfuhr der sich neu etablierende Thüringerwald-Verein von der Absicht des Altvaterturmvereines. Ein Kontakt zur Stadt Lehesten wurde 1995 schnell hergestellt. Nach einer Zeit des "Abstantens" kam es zu Erarbeitung eines Planungsvorentwurfes für die Errichtung des Turmes auf dem Wetzstein. Das Verfahren selbst wurde durch den Stadtrat Lehesten begleitet und von der Verwaltung hinsichtlich Inhalt, Umfang und Terminierung der Einzelschritte gemeinsam mit dem Landkreis Saalfeld-Rudolstadt, dem Türinger Forstamt und dem Thüringer Landesverwaltungsamt zum Abschluss gebracht. Mit dem Bescheid des Thüringer Landesverwaltungsamtes vom Oktober 1998 waren die baurechtlichen Weichen für den Beginn gestellt. Weitaus schwieriger gestaltete sich die Finanzierung des Vorhabens. Obwohl die Spendefreudigkeit der Mitglieder des Vereines zugenommen hatte, klaffte noch ein erhebliches Loch bis zur Sicherung des Finanzbedarfes, der auf etwa 2,6 Millionen Mark prognostiziert war. Verhandlungen über mehrere Monate mit dem Thüringer Wirtschaftsministerium fürten zu keinem Ergebnis. Dennoch erfolgte am 11. April 1999 auf dem Wetzstein ein symbolischer Spatentisch. Der Festakt gestaltete sich zu einem wahren Volksfest, und nicht wenige Mitglieder des Altvatervereines sowie ältere Einwohner von Lehesten hatten Tränen der Freude und Rührung in der Augen, als auserwählte Personen den ersten Spatentisch vornahmen, schrieb die Ostthüringer Zeitung am 14. April 1999. Besonders nach diesem Erreignis hat der Altvaterturmverein viele Freunde und Gönner gefunden, die das Vorhaben weiter begleiteten. Die Auflage einer neuen Initiative der damaligen Bundesanstalt für Arbeit unter dem Titel "Vergabe-ABM" zur Sicherung und Schaffung zusätschlicher Beschäftigung wurde zunächst mit Skepsis aufgenommen. Nach Abklärung von Rahmenbediengungen für die Beschäftigung von arbeitslos gewordenen, qualizifizierten Bauarbeitern erfolgte eine Vereinbarung mit dem Arbeitsamt Jena, die die Bereitstellung von Fördermitteln äquivalent zum zu erbringenden Arbeitszeitumfang in Vernindung mit dem zu realisierenden Bauvolumen in Aussicht stelllte. Der Baubeginn war damit auf den 1. November 2000 festgesetzt. Die Arbeiten begannen zügig und konnten auch während des ersten Winters 2000/2001 durchgängig fortgesetzt werden. Im folgenden Winter wurden die Baumaßnahmen unterbochen, um sie dann in der Frühjahrsperiode 2002 fort zu führen. Infolge der zwischenzeitlich eingetretenen Insolvenz des beauftragten Betriebes entstand eine nicht vorgesehene Arbeitspause von etwa vier Monaten. Es wurde eine neue Firma gefunden, die dann den Bau fortsetzte. Der Bauherr, vertreten durch den Vorsitzenden des Altvatervereins, Herrn Kurt Weese, wurde in eine ungewöhnliche Situation versetzt. Er war gleichzeitig Beaufragter des neuen Auftragnehmers und fungierte fortan als Bauleiter vor Ort. Es folgten Festeinstellungen von Arbeitskräften die arbeitslos geworden waren. Unter Mitwirkung von Nachauftragnehmern, überwiegend aus dem Nahbereich, konnte das bauwerk zu einer Reife geführt werden, die die Festsetzung der Einweihung auf den 28. August 2004 ermoglichte. Zum Fest kamen mehr als 6800 besucher aus nahezu allen Ländern der Bundesrepublik, aus der Schweiz, aus Österreich, auch aus der Tschechischen Republik waren Vertreter der Evangelisch-Lutherischen Kirche angereist. Aus Polen präsentierte sich eine Gesanggruppe, die bereits seit mehreren Jahrenenge Beziehung zum Lobensteiner Chor des Bundes der Vertriebenen unterhält. Besonders der ökumenische Berggottesdienst zu Beginn des ersten Festtages und der katolische Gottesdienst zu Beginn des zweites Tages manifestierten den Grundsatz des Altvaterturmvereines: Nicht Rache und Vergeltung, sondern Versöhnung ist das Ziel unseres künftigen Handelns. Nach der Festrede des Vorsitzenden kamen mehrere Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens zu Wort. Mit der Verleihung der Verdienstmedaille des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland an der Vorsitenden, Herrn Kurt Wese wurde gleichermaßen die Arbeit des gesamten Vereins, seiner Helfer und Sponsoren gewürdigt, die an der ehemaligen Grenze zwischen Ost und West ein Bauwerk errichteten, das nicht nur ein Zeichen der Versöhnung in Europa setzt. Das aus Keller-, Erd- und neun Obergeschossen bestehende Bauwerk mit seinem auf 824 Metern über dem Meerenspiegel reichenden Aussichtbereich erfüllt so gleich mehrere Funktionen. Im Erdgeschoss befinden sich zwei Gasträume mit zirka 50 Sitzplätzen. Darin wird heimatgeschichtliches Gut gezeigt. In den Nietschen der Außenfassade werden die schlimmsten Ereignisse der Jahre 1945/1946 dargestellt. Die mit Holz gekleideten Wände der Gasträume des Turmes schmückten Wappen, die von Heimatgemeinden gestiftet wurden. Im Keller des Altvaterturmes ist eine Kapelle eingerichtet. Als Schutzpatronin wurde die Heilige Elisabeth gewählt. Es ist ein Ort der Bewahrung und Vertiefung der Ökumene. An der Wänden der Kapelle sind auf Steintafeln die Namenszüge, vornehmlich der Orte des Altvatergebirges, eingemeißelt. Sie geben Auskunft über die Anzahl der Einwohner um 1939, die Zahl der im Zweiten Weltkrieg Gefallenen und über die Zahl der Menschen, die durch Willkür und der Vertreibung ihr Leben verloren haben. Sie sind auch Zeugnis dafür, dass die Besiedlung hier der Sudeten bereits in 12. und 13. Jahrhundert überwiegend durch deutsche Siedler aus den heutigen Räumen Thüringens, Frankens uns Sachsens erfolgte. "Von böhmischen Herrschern gerufen, kommen viele Deutsche über die Randgebiete Böhmens ins Land; Bergleute, Bauern und Gewerbetreibende. Sie werden vielfach privilegiert und gründen Städte nach deutschen Recht". In Stein gehauen sind auch in der Elisabethkapelle Namenszüge deutscher Siedlungsgebiete Osteuropas, deren Bestand ebenfalls seit mehreren Jahrhunderten nachgewiesen ist. Der Altvaterturm mit seinen geschichtlichen Zeugen ist somit nicht nur zur Erinnerung an die Vertreibung von Menschen nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges aus dem Sudetenland (jetzt Tschechische republik), sondern auch aus anderen Gebieten des Ostens, als Mahnmal für nachfolgende Generationen errichtet. Mit dem Wissen der geschichtlichen Wahrheit war die Vertreibung der Menschen aus ihrer Heimat ein radikaler antidemokratischer Akt zu Lasten einer Volksgruppe, genau wie zuvor die Besetzung dieser Gebiete durch das nationalsozialistische Deutschland ein Akt der Aggresion und Annexion war. Leidtragende waren Menschen, die in diesem Gebiet lebten. Es steht außer Zweifel, dass nicht die Saldierung der Schuld der Beteiligten am Verlust an materiellen Werten, schon gar nicht an zugefügtem Leid, die Lösung für einen künftig gemeinsamen Weg zwischen Deutschen, Tschechen, Polen und anderen völkern sein kann. Die Anerkenntnis auch eines eigenen schuldhaften Verhaltens nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges durch die beteligten Nationen, einßchlieslich der Allierten und der Verzicht auf jegliche Wiedergutmachungsanprüche ist die Voraussetzung dafür, das mit Rückblick auf die Geschichte, unter Wahrung von Toleranz, künftig ein friedvolles Zusammenwirkten gesichert werden kann.

Das Altvaterturm auf dem Wetzstein ist mit seinen geschichtlichen Inhalten ein Baustein für ein gemeinsames europäisches Haus, in dem übersteigerter Nationalismus, Intoleranz, Völkerhass und Willkür keinen Platz haben.   https://altvaterturm.de/